Omnichannel und Geschäftsprozesse im Einzelhandel in Verbindung mit der Digitalisierung stellen Unternehmen vor verschiedene Herausforderungen. In dem Beitrag zum SMXO-Modell bin ich bereits kurz auf Omnichannel eingegangen. Ich muss immer wieder feststellen, dass viele Menschen rein im E-Commerce denken und hierbei das stationäre Business vollkommen außer Acht lassen. Dabei stellen der E-Commerce und Onlinevertriebskanäle lediglich einen weiteren Vertriebskanal für den Einzelhandel oder auch Großhandel dar. Zudem stellt der E-Commerce im B2C-Einzelhandel einen Anteil von ca. 20 % dar. Im Umkehrschluss werden noch immer die anderen 80 % des Umsatzes über Filialen und Läden generiert. Open Your Mind and don`t think in Bubbles.
Hierzu habe ich im Unterricht eine umfangreiche Aufgabe zum Verständnis von Prozessen im E-Commerce aufgebaut. Den Hintergrund stellt hierbei ein Unternehmen dar, welches mittels einer Wettbewerbsanalyse auf den Dienst eines potenziellen Konkurrenten stößt und diesen in veränderter Form selbst anbieten möchte.
Inhaltsverzeichnis
- Verständnis für ein kanalübergreifendes Geschäftsmodell
- Digitale Auftragserfassung – Omnichannel und Geschäftsprozesse
- Welche rechtlichen Aspekte sollten hierbei berücksichtigt werden?
- Keine Retouren durch Omnichannel und Geschäftsprozesse
- Welche möglichen Folgen hätte dieses Vorgehen?
- Welche logistischen Prozesse müssen im Rahmen von „Ship to Store/Home“ berücksichtigt werden?
- Verpackung und Versandetikettierung
- Versanddienstleister oder eigener Fuhrparkt:
- Zustellung oder Wareneingang
- Zusammenfassung – Omnichannel und Geschäftsprozesse
Verständnis für ein kanalübergreifendes Geschäftsmodell
Fallbeispiel: Eine Person kommt in eine Filiale und möchte einen Artikel erwerben, welcher in der passenden Größe aktuell ausverkauft ist. Nun beginnt der Einsatz von Omnichannel.
Die meisten kennen bereits den Begriff Click & Collect im Kontext von Cross-Channel. Gerade in Zeiten von Corona wurde dieser Begriff alltagstauglich. Doch bereits vor über 10 Jahren hat ein deutscher Schuhhändler mit Sitz in Essen sich mit dem Thema Omnichannel auseinandergesetzt. Es fällt unter den Begriff Filialservice Ship to Store/Home. Und hierbei werden zwei verschiedene Möglichkeiten der Produktbereitstellung an Endkunden (B2C) angeboten.
- Ship to Store: Artikel werden in die Filiale geliefert
- Ship to Home: Artikel werden nach Hause oder Wahladresse geliefert
Das klingt am Anfang recht simpel. Schauen wir es uns einmal genauer an und werden auch etwas spekulativ dabei. Im Vergleich zu Click & Collect fällt dieser Dienst unter Filialservice. Das ist ein entscheidender Punkt. Denn, wie bei oben genannten Konzept, ist es relevant, wann der Kaufvertrag zustande kommt.
Während im Fernabsatz ein 14-tägiges Widerrufsrecht besteht, so existiert im stationären Geschäft keine Möglichkeit Ware zurückzugeben. Und das ist auch gut so. Insofern dies durch ein Unternehmen akzeptiert wird, handelt es sich lediglich um Kulanz. Ebenso wie der Umtausch. Zurück zum Verständnis für Omnichannel.

Digitale Auftragserfassung – Omnichannel und Geschäftsprozesse
Wie kann die Bestellung durch den Kunden aufgegeben werden und welche Prozesse werden somit in Gang gesetzt? Diese ist die erste Frage, welche dann gestellt werden sollte.
Der Auftrag kann durch das Personal erfasst werden oder mittels eines Touchscreens. Und was passiert dann genau? Hierbei werden die Kundendaten im Warenwirtschaftssystem bzw. ERP erfasst und eine Bestellung für den Kunden angelegt. Das ist doch nachvollziehbar. In der heutigen Zeit geht kaum etwas ohne eine computergestützte Warenwirtschaft.
Touchscreens in Verbund mit diesem Service stellen eine häufig genutzte Möglichkeit im Handel dar. Omnichannel ist an vielen Stellen bereits in unseren Alltag integriert. Die Umsetzung von Omnichannel-Lösungen bedarf jedoch eines hohen Kapitaleinsatzes. Kleineren Unternehmen sind hier die Hände gebunden und können weder entsprechendes Kapital aufbringen, noch die Ressourcen und IT-Systeme hierfür zur Verfügung stellen.
Im Kontext der Auftragserfassung stellt sich natürlich eine weitere Frage:
Welche rechtlichen Aspekte sollten hierbei berücksichtigt werden?
In jedem Falle gilt es hierbei, den Datenschutz zu berücksichtigen. Eines der großen Themen im Bereich E-Commerce und somit auch für Omnichannel und Geschäftsprozesse.
Nach Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, soweit sie für die Erfüllung eines Vertrages, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen (etwa Kostenvoranschläge, Angebote) erforderlich ist. Konkret müssen für die Vertragserfüllung relevante Personenbezogene Daten vorliegen.
- Im Falle der Lieferung in die Filiale: Mindestens der Name und eine Kontaktmöglichkeit z.B. Mail oder auch Telefon
- Wenn die Lieferung nach Hause geht: Neben dem Namen, natürlich die Adresse und z.B. eine Mail-Adresse
Wie angesprochen stellt Omnichannel mehr als lediglich ein Wort dar, welches irgendwo steht, um Traffic zu generieren. Doch im Vergleich zu dem bekannten Schuhhändler formulierte ich eine weitere Frage.
Keine Retouren durch Omnichannel und Geschäftsprozesse
Wie wäre es möglich, dieses Konzept so zu betreiben, dass für den Händler keine Retouren entstehen?
Ganz einfach! Siehe oben. Entscheidend ist hierbei, wann der Kaufvertrag zustande kommt. Insofern dieser in der Filiale geschlossen wird… Existiert auch kein Fernabsatzrecht und auch wenn die Ware geliefert wird. Wir sind alle einfach so digital, dass wir es vergessen. Nehmen wir also auch Ship to Home oder Lieferung nach Hause, mit dem Ausgangspunkts eines Laden.
Du kaufst in einem Laden eine Waschmaschine und lässt diese liefern. Es besteht kein Widerrufsrecht.
Welche möglichen Folgen hätte dieses Vorgehen?
Positive Folgen:
Unternehmen sparen Kosten für Logistik, Bearbeitung und Verwaltung von Rücksendungen bzw. Artikel welche eventuell zurückgebracht würden. Die Lagerhaltung und Bestandsverwaltung werden effizienter, da weniger Produkte zurückgeführt und neu sortiert werden müssen.
Negative Folgen:
Im Falle einer solchen Ausgestaltung der AGB wäre es möglich, dass Kunden diesen Dienst bei dem Unternehmen nicht nutzen, da der Wettbewerber ein Widerrufsrecht für diesen Service anbietet. Zusätzlich könnte es nach dem Kauf und bei uninformierten Kunden zu negativen Kritiken über das Unternehmen kommen. Dies schadet der Reputation des Unternehmens.
Wie alles im Leben hat es Vor- und Nachteile. Was aber wirklich interessant ist.
Welche logistischen Prozesse müssen im Rahmen von „Ship to Store/Home“ berücksichtigt werden?
Ab hier geht es noch tiefer in die Materie von Omnichannel und Geschäftsprozesse. Denn die Erfassung der Kundenbestellung in der EDV stellt lediglich den ersten Schritt innerhalb eines komplexeren Prozesses dar.
Auftragsbearbeitung:
Die Bestellung wird im Lager des Händlers bearbeitet. Dies umfasst das Abrufen der Artikel aus dem Lagerbestand. Verschiede Optionen kommen nun infrage:
- Die Ware wird aus einen Zentrallager in die Filiale oder nach Hause geliefert.
- Die Ware wird aus einer anderen Filiale umgelagert oder nach Hause geliefert.
- Als weite Option würde sich gegebenenfalls Dropshipping anbieten (Diese Option lasse ich hier einmal außen vor – auch aus Gründen von Verträgen zur Auftragsdatenverarbeitung)
Wie man feststellen kann, ist die effiziente Bestandsverwaltung ein Bestandteil von Omnichannel. Die Systeme müssen ermitteln, wo sich die bestellte Ware befindet. Gehen wir davon aus, die Ware befindet sich in einem Zentrallager. Dann geht es natürlich weiter.
Verpackung und Versandetikettierung
Verpackung:
Die bestellten Artikel werden sicher verpackt, um während des Transports geschützt zu sein. Hierbei werden oft auch Lieferscheine oder Rechnungen beigefügt.
Versandetikettierung:
Ein Versandetikett wird erstellt, das die Lieferadresse des Kunden, oder der Filiale und einen Barcode für die Sendungsverfolgung enthält.
Auch das gehört zu diesem Prozess dazu. Die Ware muss verpackt werden und auch dem Besteller aus dem Laden bzw. der Filiale zugeordnet werden können. Ohne diese Zwischenschritte wäre es undenkbar, das System so abzubilden. Doch weitere Dinge gilt es nun zu klären.
Versanddienstleister oder eigener Fuhrparkt:
Ein Logistik- oder Versanddienstleister holt die verpackten Bestellungen vom Lager des Händlers oder der Filiale ab. Oder der eigene Disponent (KI-gestützt) plant die Abholung im Zentrallager oder der Filiale. Auch hier kommen wieder verschiedene Optionen infrage:
Option A:
Die Bestellung wird durch das Netzwerk des Versanddienstleisters transportiert. Dies kann mehrere Zwischenstationen umfassen, wie Sortierzentren oder regionale Verteilzentren.
Option B:
Die Bestellung wird mittels des eigenen Fuhrparks zwischen den Filialen oder aus dem Zentrallager angeliefert.
Auch eine Kombination aus externen Dienstleistern und eigenem Fuhrpark sollte im Kontext von Omnichannel und Geschäftsprozesse beachtet werden. Dann wird es noch etwas komplexer. Habe ich etwas vergessen? Sicherlich, und zwar die Person, welche auf Ihre Ware wartet.
Zustellung oder Wareneingang
Lieferung nach Hause:
Der Versanddienstleister / eigene Logistik liefert die Bestellung an die Haustür des Kunden. Jeder kennt das Problem der letzten Meile und die Kosten, welche aus Sicht eines Händlers hierbei entstehen. Ich finde es abwegig, dass Schuhe mit einem LKW angeliefert werden. Stelle ich mir nun aber einen Händler vor, welcher im Bereich Omnichannel gerade startet und mangelhafte Stammdaten besitzt. Dann wäre es denkbar, dass auch Heftklammern mit einem LKW ausgeliefert werden.
Abholung in der Filiale:
Die Ware wird im Wareneingang der Filiale angenommen. Es findet eine Prüfung der Ware statt. Eventuell (eher unwahrscheinlich) findet eine Buchung statt. Dieses Vorgehen kann jedoch je nach Unternehmen und dessen Warenwirtschaftssystem variieren. Einige Systeme könnten die Ware temporär in den Filialbestand übertragen, um die Abwicklung zu erleichtern, allerdings wird dies oft durch entsprechende Prozesse und Systemanpassungen gesteuert, um Bestandsverfälschungen zu vermeiden.
In jedem Falle wird im Anschluss der Kunde darüber informiert, dass die Ware zur Abholung bereitsteht. Und auch damit sind wir noch nicht am Ende des Prozesses angekommen.
Legitimation und Aushändigung:
Nehmen wir nun an, es handelt sich, um andere Produkte im Hochpreissegment. In diesem und auch jedem anderen Fall ist es erforderlich, die Ware an den Besteller auszuhändigen. Der Empfänger benötigt in diesem Falle seinen Personalausweis oder ein anderes amtliches Dokument, um seine Identität zu bestätigen. Sicherlich ist eine Bestellnummer auch von Vorteil. Mittels Namen des Bestellers und der Ware sollte diese jedoch der Person zuzuordnen sein.
Zusammenfassung – Omnichannel und Geschäftsprozesse
Damit sich jeder dem Prozess bewusst wird, fasse ich es nochmals kurz zusammen:
- Erfassung des Auftrags in der EDV unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Aspekte.
- Verfügbarkeitsprüfung des Artikels und Auswahl der geeigneten Bezugsquelle.
- Verpackung und Versandetikettierung, um die Sendungsverfolgung sicherzustellen.
- Transport der Ware mittels eigenen Fuhrparks oder einem Versanddienstleister.
- Zustellung beim Endkunden oder Abholung der Ware in der Filiale nach Legitimation.
In diesem Falle beziehe ich mich lediglich auf oben beschriebenen Sachverhalt. Die Bestellung eines Kunden in einer Filiale und die verschiedenen Optionen, sowie auch Spekulationen des Ablaufs. Ich möchte damit auch darlegen, welche Prozesse erforderlich sind, um in Zeiten eines kanalübergreifenden Geschäftsmodells eine positive Kundenerfahrung zu gewährleisten.
Und jeder, der mich kennt, weiß, dass ich gern die Probleme darlege. Ich bin leider wenig darauf eingegangen, dass bereits bei der erstmaligen Datenerfassung Fehler passieren können oder ein Fehlbestand bei der Bestellung vorlag. Auch habe ich es unterlassen, Pick Fehler darzulegen oder den Verlust der Sendung beim Transport dieser. Ich habe mich hierbei lediglich auf den optimalen und dennoch komplexen Sachverhalt von: Omnichannel und Geschäftsprozesse bezogen.
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